Der erste Kalkputz

Nach der Arbeit am gestrigen Montag hatten wir es noch auf einen Abstecher zum langjährigen Lehm-Händler geschafft um dort einige Säcke Kalkputz der Firma Gräfix zu ergattern. Gräfix bietet eine ganze Reihe an Putzen für die Denkmalpflege und andere "Spinner" wie uns an, sodass die Entscheidung für den Kalk Grundputz von Endress uns leicht fiel.

Kalkmilch

Bevor der Kalkgrundputz an die Wand aufgetragen werden konnte, brauchten wir aber zunächst ein Mittel um zwischen dem Lehmputz und der Kalkschicht zu vermitteln. Es wird in der Literatur oftmals pauschal von diesem Bindemittel gesprochen und ihm – abhängig von der genauen Zusammensetzung – unterschiedliche Namen gegeben. Wenn wir das richtig verstanden haben, dann haben wir mit einem Teil Magerquark (daraus will man das Kasein haben), zwei Teilen Sumpfkalk und 7 bis 8 Litern Wasser Kalkmilch hergestellt.

Wenn die Kalkmilch angerührt ist, sieht sie ziemlich lecker aus. Bei uns kam glatt der Wunsch nach einem Latte Macchiato auf.

Aufgetragen habe ich die Kalkmilch dann mit einem handelsüblichen Quast aus dem Baumarkt. Es wird zwar immer von einer Wurzelholzbürste gesprochen aber ehrlich gesagt, weiß ich überhaupt nicht warum es ausgerechnet die sein soll‽ Wir konnten jedenfalls nicht feststellen, dass die Kalkmilch etwa nicht ordentlich eingezogen ist und nach zwei Durchgängen mit dem Quast hatte die Wand einen leichten weißen Schleier.

Der Kalk-Grundputz wird aufgetragen

Stets ist die Rede davon "freskal" zu arbeiten.

o__O' Was?

Genau so ging es uns auch. Irgendwo im Netz fanden wir dann die Übersetzung: "freskal" würde "Nass in Nass" bedeuten. Achso, jetzt ist alles klar. Nein, mal ehrlich, gemeint ist hiermit, dass die einzelnen Schichten nicht antrocknen / abbinden sollen. Es wird also laufend weitergearbeitet ohne Trocknungszeiten. Ein Schluck Kaffee oder Wasser ist aber durchaus im Rahmen des zeitlich Machbaren :-) .

Es ging also gleich mit dem frisch angemischten Kalk-Grundputz weiter, bevor die Kalkmilch trocknen konnte. Es wird auch ausdrücklich davor gewarnt zu große Flächen mit der Kalkmilch einzustreichen, da diese relativ schnell einzieht und dann ja nicht mehr "frisch", also "freskal" wäre.

Ich habe ja schon einiges an Lehmputz aufgetragen aber nie war der Anspruch so hoch wie heute, denn bei allen Schichten davor gab es stets das beruhigende Wissen, dass noch eine Schicht folgen würde. Nun stand ich aber vor dem Lehmputz und wusste, dass ich nun kurz davor war die finale Putzschicht aufzutragen. Davor hatte ich großen Respekt, weil es mir irgendwie immer ein Rätsel war wie die Putzer / Stuckateure so gleichmäßig arbeiten können.

Ich begann also mit einer kleinen Traufel und einer kleinen Wandfläche und arbeitete mich im nächsten Schritt mit der großen Traufel (Schweizer Traufel mit 50cm) links am Fenster vorbei. Grundsätzlich lässt sich mit der 50cm Traufel sehr schön arbeiten.

Gibt man dem Kalkputz etwas Zeit und benebelt ihn dann mit etwas Wasser aus dem Wassersprüher (sehr hilfreiches Werkzeug bei dieser Arbeit), so kann man anschließend mit dem Dekorspachtel eine wahnsinnig glatte Fläche produzieren. Wenn man dies denn möchte.

Anschließend ging es mit dem nächsten Wandabschnitt weiter…

Große, ebene Wandflächen

Weil ich ein Lehrling bin, musste ich mit dem Auftragen des Putzes experimentieren. Beim ersten Wandabschnitt bin ich eher chaotisch und ohne Marschrichtung quer über die Wand gefahren. Das war nicht die beste Vorgehensweise, wie ich schnell herausfand, weil der Kalkputz so an einigen Stellen schon fest wird, bevor man den Anschluss zum nächsten Abschnitt gemacht hat. Besonders die Kanten an der Decke haben mich viel Zeit gekostet und in genau dieser Zeit hat sich der Kalkputz woanders häuslich eingerichtet (soll er ja auch).

Bei der nächsten Wand wollte ich das Ganze mal anders angehen und verputzte somit zuerst die Kante oben an der Decke und arbeitete mich dann von unten nach oben. Das war auch nicht unbedingt die beste Lösung, lag aber daran, dass die von mir gewählte Strecke einfach zu lang war für einen Laien wie mich ;-) .

Vorerst blieb ich aber mehr oder weniger bei dieser Technik. Wichtig ist, dass man sich nicht zu viel Zeit lässt, denn die ist trotz Vornässen und doppelt mit Kalkmilch Einreiben / Einkleistern nicht gegeben. Der Lehm nimmt schnell das Wasser auf und auch der Kalk ist sehr bereit es loszuwerden. Ist der Putz einmal angetrocknet wird es schwieriger mit der Kelle oder dem Dekorspachtel zu korrigieren.

Als besonders nützlich stellte sich dann das Reibebrett mit Schwamm heraus. Mit diesem kleinen Wunderwerkzeug nimmt man jeder Wandfläche die kleinen Linien und Kanten die beim Abziehen bzw. Glätten durch die diversen Kellen entstehen und reibt diese glatt. Außerdem gibt es der Wand eine etwas rauhe Oberfläche und verwischt so die Optik noch mehr um anschließend einfach nur gut dazustehen. Wir waren begeistert.

Schwachstelle im Lehmputz

Als Annika die Wandoberfläche begutachtete, fiel ihr eine Blase mit Riss im Putz auf. Ich drückte dagegen und schnell wurde klar, dass sich hier der Lehmputz von der Wand abgetrennt hatte, weil der Lehmoberputz an dieser Stelle nur sehr dünn aufgetragen wurde.

Also wurde der Bereich großflächig herausgetrennt und direkt mit Kalkputz aufgefüllt. Was auf diesen Bildern noch wie ein schlechter Scherz eines besoffenen Stuckateurs aussieht, wurde noch mit dem Reibebrett nach angemessener Einwirkzeit korrigiert und unterscheidet sich nicht mehr von dem Rest der Wand. Wir konnten also gleich etwas Erfahrung zum Flicken von Schadstellen im Putz mitnehmen. Gratis Erfahrung – Yay!

Angerieben und abgerundet

Auch der erste Wandabschnitt wurde mit dem Reibebrett mit Schwammauflage (wieder-)besucht und konnte mit dem Ergebnis überzeugen, was mich besonders gefreut hat, da es doch die Anfangswand ist. Es ergeht mir oftmals so, dass ich mich am Ende einer Arbeit frage warum das am Anfang so merkwürdig aussieht und versuche zu begreifen warum ich so dermaßen anders gearbeitet habe :-) .

Erfreulicherweise hat es auch die runde Ecke in die Kalkphase geschafft. Wenn ich ehrlich bin, hätte ich mir die Experimente mit dem Lehmputz fast sparen können, weil ich ebensogut jetzt den Kalkputz entsprechend dick hätte auftragen können. Dann hätte ich aber noch keine Erfahrung damit sammeln können – also doch wieder besser so :-) .

So ging ein erfreulicherweise sehr erfolgreicher Tag zu Ende und hinterließ bei mir das Gefühl ich könnte womöglich die Angstdämonen des Verputzens besiegen. Noch will ich aber keine Jubelschreie von mir lassen, sondern einfach weiterarbeiten und mich über jeden weiteren Erfolg freuen.