29

Okt

2012

Die Kalkputz-Recherche


29.10.2012


Annika
Beitrag von Annika
Als Pixel-Schieberin arbeitet sie gewöhnlich im Heise Zeitschriften Verlag. Die Freizeit wird (noch) mit allerlei Kreativem gefüllt, doch mit der Ankunft unseres ersten Kindes werden sich da völlig neue Aufgabengebiete auftun. Momentan ist Annika für Bau-Recherchen und die Verpflegung zuständig.

Ursprünglich war geplant, den Putz für die oberste Wandschicht - also den Feinputz - selbst anzumixen. Für Innen sowie auch Außen, wobei unser momentanes Augenmerk auf Innen lag (bzw. immer noch liegt). Das sollte sich aber als etwas frickeliger rausstellen als wir uns das so gedacht hatten und dabei spielte die Beschaffung von Kalksand eine zentrale Rolle - aber beginnen wir am Anfang.

Das Grundsätzliche

Es galt also erst einmal herauszufinden, was es so mit Feinputz an Fachwerkhaus-Wänden auf sich hat. Zumindest mir fehlte da gefühlt noch etwas an grundlegendem Verständnis, also warf ich mich in die Recherche (wofür ich eh ein kleines Faible habe und was außerdem eine willkommene Abwechslung zu der Tatsache war, dass ich körperlich im Laufe der Schwangerschaft ja immer weniger Sinnvolles zum Vorankommen im Haus beitragen konnte/kann).
Es zeigte sich, dass das Internet oft nur Teil-Infos hergab und die Bücher, die am Vielversprechendsten von ihrem Informationsgehalt zu dem Thema wirkten, waren meist nur noch antiquarisch zu bekommen. Versteht mich nicht falsch, ich liebe Bücher, aber das wäre doch etwas arg ins Geld gegangen ;)
Also machte ich mich spontan eines Nachmittags nach der Arbeit auf in die Stadtbücherei, nachdem ich mir einige Titel und Autoren zusammengesammelt hatte (und praktischerweise vorab dank des Online-Kataloges auch schon direkt den Regalplatz der jeweiligen Bücher hatte ausmachen können – hach, ich liebe sowas, danke Internet!). Ich verließ die Bücherei nach gut 3 Stunden mit einem Sammelsurium an Notizen, Kopien & einer Handvoll Bücher und war guter Dinge :)

Herausdestillieren tat ich im späteren Verlauf aus den ganzen Materialien zum Innenputz Folgendes – zugegeben, nicht alles komplett neue Erkenntnisse, aber trotzdem hilfreich sie noch einmal so auf den Punkt gebracht gehabt zu bekommen:

  • Die Dampfoffenheit/Diffusionsfähigkeit der Schicht ist (wie natürlich auch derer davor) essentiell, weil sonst die Feuchtigkeit nicht abtransportiert werden kann und diese dann u.U. das Fachwerk schädigt bzw. der Innenraum zur Tupperdose wird
  • Es soll, wie so oft, nass in nass gearbeitet werden – die letzte Schicht Putz vor dem Feinputz muss also nach deren Durchtrocknen angenässt werden (es ist aber sinnvoll, sie durchaus erst einmal komplett abbinden/durchtrocknen zu lassen!)
  • Als Haftungsbrücke soll auf die angenässte Putzschicht am Besten 1-2 dünne Schichten Kalkmilch eingerieben werden, auf welche dann sofort (!) der Feinputz aufgetragen wird

Kalkmilch und Quast

Kalkputz mit Schwammreibbrett abgerieben

Wir mischen uns den Feinputz selber… oder doch nicht?

So ein Feinputz à la Maison sollte im Prinzip aus nicht viel mehr als Wasser, einem Bindemittel wie beispielsweise Kalk und als Zuschlagmittel Sand bestehen müssen.

Sumpfkalk hatten wir. Ole hatte bereits zwei Bottiche Luftkalkhydrat eingesumpft und die „sumpften so vor sich her“ (natürlich entsprechend abgedeckt).

Sumpfkalk im Bottich mit Wassersperrschicht

Das Thema „Welchen Sand benutzt man im Feinputz am Besten als Zuschlagmittel?“ war nochmal so eine kleine Wissenschaft für sich… Wichtig schien zu sein, dass der Sand nicht zu viele Feinteile (0 – 0,02mm) enthielt, weil die Schwindgefahr sonst zu groß sei.
Ursprünglich hatten wir Quarzsand angedacht, allerdings zeigte die weitere Recherche, dass Quarzsand von daher für die Feinputz-Schicht ungeeignet sei, weil Quarz nur von dem Bindemittel (in unserem Fall der Sumpfkalk) umhüllt werde, statt eine wirkliche Bindung mit diesem einzugehen. Daraus resultiere, dass die Oberfläche dann keine gute Festigkeit aufwies, weil eben diese Bindung nicht stattfinden würde. Im Falle der Verwendung im Außenputz würde das sogar eine schnelle(re) Abwitterung zur Folge haben und die Wand hätte bald einen „Schleifpapiercharakter“. Generell würden auf diese Schicht aufgetragene weitere Stoffe (wie z.B. Farbschichten) ebenfalls keine Tiefenbindung erreichen. Klang irgendwie nicht so prickelnd. Also kein Quarzsand.

Quarzsand und Kalkputz passen nicht zusammen

Ich „buddelte“ weiter und, siehe da, gewaschener Gruben- oder Flusssand klang vielversprechend. Gewaschen sollte er von daher am Besten sein, weil durch die runde Körnung das Korn nicht aufkippen und dadurch nicht die (eigentlich ja weitestgehend risslos gewünschte) Fläche durchbrechen sollte – wie z.B. Brechsand es tat. Genauer, Kalksand oder Sand aus kalkhaltigem Gestein sollte der Zuschlagstoff der Wahl sein, da dieser gute Abbindezeiten und eine gute Festigkeit aufwiese (sehr viel besser als Quarzsand!) da das Bindemittel in den Kalkstein eindringe und so einen Kristallationskern für den Mörtel bilde. Ergab Sinn. Fanden wir gut. Also: Kalksand kaufen. Ja… und da ging es los.

Wir recherchierten uns die Finger (und Ohren) wund nach möglichen Lieferanten von Kalksandi – Lieferanten von Kalksandsteinen waren wie Sand am Meer zu finden (das dumme Wortspiel musste sein ;D), aber es wollte sich partout keiner auftun für unverarbeiteten Kalksand oder eben kalkhaltigen Sand.
Die altbewährten Händler, bei denen Ole schon viele der anderen Baustoffe im Laufe der Zeit erstanden hatte, konnten uns auch nicht weiterhelfen. Von einem bekamen wir sogar den konkreten Hinweis, dabei eben nicht mit gewaschenem Sand zu arbeiten, weil durch die Waschung jegliche Feinteile aus dem Sand rausgewaschen worden seien. Nicht zu viele Feinteile - hatten wir verstanden. Quasi gar keine Feinteile – doch 'ne Nummer zu viel.
Wir drehten uns also im Kreis. Ärgerlich.

Erstens kommt es anders…

Im Endeffekt war dann das Gespräch, was Ole mit einem der Baustoffhändler seines Vertrauens (seines Zeichens außerdem Restaurateur) führte, das Fruchtbarste und das was uns entscheidend weiterbrachte: „Warum macht ihr euch denn die Mühe?!“ fragte er uns mit großen Augen, als Ole ihn auf die Kalksand-Beschaffungsproblematik ansprach. „Ich benutze seit über 15 Jahren den gleichen Luftkalk-Fertigputz und der ist einfach genial.“
Hm. Nicht selber anmischen. Wirklich…? … Zumal wir an der Sand-Front ja eh so gar nicht weiterkamen, ließen wir uns auf den Richtungswechsel ein.

Fertiger Kalkputz wie vom Restaurateur empfohlen

Was sollen wir sagen? Nach einer, wie ich finde, wirklich sehr kurzen Einarbeitungszeit, kommt Ole großartig flott & behände mit dem Gräfix 61 Kalkputz voran. Er lässt sich gut anmischen und mit etwas Übung wirklich toll verarbeiten – aber dazu wird Ole sich sicherlich noch direkt äußern. Finanziell ist es vertretbar und angemessen – und der Vorteil in Geschwindigkeit und Komplikationslosigkeit dadurch, dass der anzumischende Stoff immer derselbe bleibt, ist nicht zu verachten. Wir halten euch auf dem Laufenden! :)

Die Kalkmilch & Das Prozedere

Der Vollständigkeit halber hier noch das Rezept für die Kalkmilch und unser herausgearbeitetes Schritt-für-Schritt-Prozedere für die letzte Schicht des Innenputzes (geplant ist, diese dann nach dem Abbinden nochmal mit einem Anstrich zu versiegeln):

Magerquark und Sumpfkalk als Basis der Kalkmilch

  • 250g Magerquark
  • 1 Kelle (ca. 500g) Sumpfkalk
  • 7-8 Liter Wasser
  1. Quark & Kalk mit Rührquirl vermischen, etwas ziehen lassen
  2. Mit dem Wasser auffüllen und wieder vermischen
  3. Spätestens am folgenden Tag verarbeiten!

Wichtig! Kasein-/Quark-Anteil nicht erhöhen, weil der Putz sonst zu lange zum Trocknen braucht.

Prozedere für den Innen-Feinputz

  1. Wandoberfläche (nach vollständigem Abbinden!) mit stumpfem Besen abbürsten, um sie von losen Staubpartikeln zu befreien
  2. Oberfläche mit Wasser annässen
  3. Kalkmilch als Haftungsbrücke 2x dünn mit Wurzelbürste oder Glättbrett in Wandoberfläche hineinreiben (Ole benutzt dazu einen einfachen Quast)
    Wichtig! Keine großen Flächen vorarbeiten, trocknet sehr schnell (und es muss auch nass in nass weitergearbeitet werden!)
  4. Feinputz nach Herstellerangabe aufbringen & mit Glättkelle abglätten – meist reicht für den Innenputz eine Schicht (min. 2mm)
    Wichtig! Nicht bei Frostgefahr. Das Wasser darf der Fläche auch nicht zu schnell entzogen werden, weil sich sonst zu viele Poren u.ä. bilden. Also: Vor Wind schützen (Gut: Ofen; Fenster und Türen öffnen; der CO2-Austausch ist essentiell)
  5. Im Laufe der Arbeiten ist Ole an dieser Stelle noch zu Folgendem übergegangen: Nachdem der Feinputz etwas angezogen hat, mit angefeuchtetem Schwammreibbrett die Fläche unter ganz leichtem Druck plan reiben (macht unserer Meinung nach eine wirklich schöne Optik, ist aber evtl. Geschmackssache)
  6. Falls Trockenrisse auftreten: Wand mit Kalkmilch-getränktem Breitpinsel nässen und unter leichtem Druck mit Kelle oder Reibbrett zu reiben (hatten wir bisher noch nicht * knock on wood * )

Kalkmilch auf Lehmwand

Hilfreiche Bücher

Und nicht zu vergessen: Die Bücher, die wir in die Hände bekamen, die uns am Hilfreichsten bei der Recherche zu der ganzen Oberputz-Thematik waren - in hierarchischer Reihenfolge :)

  • "Putz und Stuck – Herstellen und Restaurieren" von Peter Vierl Callwey Georg D.W. GmbH, ISBN 978-3766708731
  • "Altbausanierung mit Naturbaustoffen" von Klaus Schillberg AT Verlag, ISBN 978-3855025640
  • "Natürliche Farben – Anstriche und Verputze selber herstellen" von Gerd Ziesemann, Martin Kampfer, Heinz Knieriemen AT Verlag, ISBN 978-3855028009

Weitere interessante Kandidaten wie z.B. „Fachwerkhäuser restaurieren – sanieren – modernisieren“ von Wolfgang Lenze (Fraunhofer IRB Stuttgart, ISBN 978-3816781042) oder „Lehmfarben, Lehmputze“ von Robert Schuh (Deutsche Verlags-Anstalt, ISBN 978-3421038524) waren übrigens in einer Tour in der Bibliothek ausgeliehen. Ich würde jetzt aber mal ganz frech sagen, es ging auch ohne ;)