11

Jan

2014

Eine neue Lehmdecke


5℃


Wenn man bedenkt, dass unser Hof 1780 erbaut wurde und die Decken im Obergeschoss annähernd (und so wird vermutet) ähnlich alt sind, dann überrascht es eigentlich, dass an denen vergleichsweise wenig "gebastelt" wurde. Mit der Entkleidung der Deckenbalken habe ich bereits vor vielen Jahren abgeschlossen und so befanden sich die Decken im Obergeschoss lange in einem unansehnlichen Zustand. Wie es so ist, gab es immer etwas wichtigeres zu erledigen, als sich ausgerechnet diesem scheinbar unwichtigen Thema zu widmen.

Doch bevor ich auf die Einzelheiten eingehe, hier ein "Selfie" von meiner Person in voller Schutzkleidung, kurz bevor ich mich mit dem Schaber an die alte Decke mache.

Das bin ich im Vollschutz bereit zum Abkratzen der Lehmdecken

Die Decken bestehen im Prinzip (überwiegend) aus Eichenhölzern, welche mit langhalmigem Strohlehm umwickelt wurden. Diese Hölzer liegen auf geviertelten Rundhölzern welche entlang der Deckenbalken festgenagelt wurden. Anschließend wurden die Hölzer mit Lehm beworfen und verschmiert bzw. irgendwie mit Lehm (ich will ungern sagen "Lehmputz", da es sehr fetter Lehm ist) verkleidet. Die letzte und oberste Lehmschicht ist sehr dünn und wurde anschließend gekalkt; die allerletzte Farbschicht könnte aber auch Dispersionsfarbe sein – ich lege mich da besser nicht so fest XD.

Auf der Oberseite der alten Lehmschicht ist weiße Farbe

Der alte Oberputz ist zwei bis drei Millimeter dünn

Die Unterseite der Oberputzschicht zeigt das wellenförmige Muster, welches in den Lehm an der Decke gekratzt wurde um der letzten (und recht dünnen) Putzschicht mechanischen Halt zu geben.

An der Decke kratzen

Wie ihr euch sicherlich schon gedacht habt, ziehe ich mich kaum aus Spaß wie jemand im Katastrophenschutz an, doch die Arbeiten an den Lehmdecken sind alles andere als entspannt. Nicht nur, dass viele sonst ungenutzte Muskelpartien in den Schultern beansprucht werden, nein es rieselt einem auch ständig Lehmputz ins Gesicht, die Ohren und Mund. Ohne Vollmaske macht das wirklich keinen Spaß!

Zur Entkleidung der Lehmdecke (also dem Entfernen der obersten, dünnen 2-3mm Lehmoberputzschicht) verwende ich einen Tapetenkratzer mit 10cm breiter Klinge. Eine Klinge hat eine erstaunliche Haltbarkeit wenn man bedenkt, dass es Lehm ist was dort abgekratzt wird und ich würde dieses Werkzeug jederzeit für diese Arbeiten empfehlen.

Der Schaber hilft beim Entkleiden der Lehmdecken

Die 10cm breite Klinge ist ziemlich scharf

Je nach Kondition, Lust und Trennbereitschaft (der Lehmschichten voneinander), kann das Abschaben einer Bahn (der Raum zwischen zwei Deckenbalken) zwischen 15 und 30 Minuten liegen. Die Bahnen in Keanus Kinderzimmer sind recht schmal und die Lehmdecke dort auch allgemein in ziemlich gutem Zustand. Das ändert aber nichts an dem Saustall, den man dabei produziert ;-) .

Der Oberputz der alten Lehmdecken bedeckte den neün Fußboden

Das Abkratzen der Oberputzschicht ist ein Teil der Arbeit, der andere ist der Abtransport auf den Bauschutthaufen und es ist erstaunlich wie viel dabei von der Decke kommt. Ich entschied mich gegen ein Recycling dieser Lehmschicht, weil mir die Farbmixtur einfach zu unklar war. Bei reiner Kalkfarbe hätte ich den Putz anteilig unter anderen Putz gemischt aber nicht wenn möglicherweise Dispersionsfarbe dabei ist.

Die alte abgeschabte Lehmdecke

Nach getaner Arbeit sah die Lehmdecke dann recht freundlich und aufgeräumt aus aber es ist vermutlich auch die Decke mit dem besten Allgemeinzustand, denn in anderen Zimmern kann ich bereits starke Ausbeulungen und Risse erkennen.

Die erste Lehmdecke ist entkleidet

Grobe Reparaturarbeiten an der Lehmdecke

Auf den Fotos sind jetzt blanke Holzbalken (die Deckenbalken) zu sehen, doch das war nicht immer so. Anfangs (vor Jahren) war jeder Balken mit einer Lehmschicht verkleidet und eckig verputzt (ja, sowas war mal modern). Als die Balken entkleidet wurden (das war auch eine Drecksarbeit) da wurde die eigentliche Lehmdecke auch in Mitleidenschaft gezogen und es blieben leichte Furchen links und rechts der Deckenbalken.

Lücken in der Lehmdecke zum Deckenbalken hin

Eben diese Schlitze galt es nun zu verputzen, bevor die eigene Schicht Lehmoberputz aufgetragen werden konnte. Dazu verwendete ich ganz regulären Recyclinglehm (allerdings fein gesiebt) und verarbeitete ihn wie man Lehm so verarbeitet: Untergrund von losem Lehmputz und Staub befreien (abbürsten/abkratzen), alles mit dem Pumpsprüher anfeuchten und anschließend mit einer Kelle den Mittelfesten Lehm ordentlich in die vorhandene Struktur eindrücken. Je mehr sich der neue Lehm mit dem vorhandenen mechanisch verzahnen kann, desto besser.

Mit dem feinen Lehmoberputz werden die Schlitze in der Decke verputzt

Der fein gesiebte Lehm ist eine neue Entdeckung von uns und stellt quasi das ultimative, selbsthergestellte Lehmprodukt ohne Zuschlagstoffe dar: Recycelter Lehm mit Innenputzsand vermengt und anschließend durch ein großes Küchensieb gefiltert. Ich werde da in einem zukünftigen Blogeintrag noch näher eingehen, doch soviel kann ich jetzt schon sagen: es ist aufwendig und es lohnt sich!

Fein gesiebter Lehmputz für die Deckenarbeiten

Neuer Oberputz für die Lehmdecke

Nach den intensiven Reinigungsarbeiten war es nur Recht, wenn auch etwas neuer Putz aufgebracht werden sollte. Die alte Lehmdecke wurde also mit dem Pumpsprüher angefeuchtet und eine Schicht gesiebter Lehmputz aufgetragen. In die dann frische, feuchte Lehmschicht wurde das Putzgewebe eingearbeitet und anschließend alles mehr oder weniger glatt abgezogen (eine schweizer Traufel ist hier sehr hilfreich).

Eine Schicht Lehmoberputz mit eingearbeiteter Putzgaze

Eine Bahn zwischen den Holzbalken mit Lehmoberputz und Putzgaze

Ich werde noch genauer auf die einzelnen Arbeitsschritte zu einem späteren Zeitpunkt eingehen, sobald ich mich sicher genug im Sattel aufbewahrt fühle und die Technik einigermaßen beherrsche :-) . Aktuell habe ich die Putzgaze seitlich noch nicht abgeschnitten, weil ich glaube, dass es einfacher geht wenn der Lehm einmal getrocknet ist. Im Nachhinein bin ich mir aber nicht mehr so sicher ob das eine gute Entscheidung war.