12
Nov
2012
Kalk-Kaseinleim modern auftragen
Nach den Erfahrungen am gestrigen Sonntag war ich bemüht den Vorgang des Kalkens irgendwie zu beschleunigen. Das Anmischen der Kalk-Kaseinleimfarbe hatte recht gut geklappt und die Konsistenz (und später auch die Deckkraft) waren akzeptabel. Problematisch sind nur die vielen Streichvorgänge die nötig sein werden, um die Wände mit dem Kalkweiß zu decken.
Es musste "schnelleres" Werkzeug her als ein Mensch mit Deckenpinsel.
Da kam mir die Idee die billige Lackierpistole auszuprobieren, welche mit dem Kompressor kam, den ich vor Ewigkeiten mal gekauft hatte. Die obige Wand sollte gestrichen werden und unten ist das billige Lackiergerät zu sehen – für einen Feldversuch würde es reichen.
Da die Farbe von gestern ausgeliert war (und somit eine ziemlich feste Masse ergeben hatte), strich ich den Eimer von der Liste der Besitztümer und nahm mir einen anderen. Gestern hatte ich ca. 12kg angerührt, heute wollte ich es bei 6kg belassen – mehr würde ich sowieso nicht verarbeiten können ;-) .
Der Rührstock von gestern war auch ganz charmant aber die Qualität des Durchmischens war eher mäßig und ich neigte dazu mit Kalkfarbe zu spritzen. Daher suchte ich den kleinen, alten Rührquirl heraus und spannte ihn in den Akkuschrauber – so funktionierte das Mischen wunderbar!
Der Kompressor war angeschlossen und hatte sich lauthals mit Luft aufgeplustert, die Kalk-Kaseinleimfarbe war angemischt und hatte Standzeit zum Reifen: Es konnte losgehen!
Ich füllte also 400ml Kalk-Kaseinleimfarbe in die Lackierpistole und drückte in froher Hoffnung auf einen grandiosen Farbstrahl auf den Abzug. Außer Lärm und etwas Kalknebel kam nichts – und der Kompressor brüllte immer noch. Ich drehte an den Einstellungen: Weniger Luft, mehr Farbe. Sprotz. Keine Farbe.
Nach 10 Minuten gab ich mit dem Kompressor auf, denn die Kalk-Kaseinleimfarbe war einfach zu dickflüssig. Ich hatte eine andere Idee: Der Gloria Pumpwassersprüher sollte das Dilemma richten!
Also den Gloria befüllt, mittels der Handpumpe Druck aufgebaut und… Blup. Dann Stille. Das Überdruckventil zischte noch etwas, als ich nachpumpte und das war's.
Abwaschen, ad Acta legen, grübeln und…
Back to the roots
Irgendwas sollte heute noch getrichen werden und Funktionsräume stehen ganz oben auf der Liste, also nahm ich mir das Gäste-WC (Badezimmer) vor.
Das Ergebnis des gestrigen Kalkens hat uns heute sehr gut gefallen. Offensichtlich braucht der Kalk-Kaseinleim einfach Zeit zu wirken (zu karbonatisieren) um seine Deckkraft zu zeigen. Auf den Zeitraffer-Fotos, welche noch nicht online sind, ist zu erkennen wie der Kalk mit der Zeit an Helligkeit gewinnt. Heute sahen die Flächen von gestern schon ganz anders aus. Sie waren bei weitem nicht mehr so fleckig und hatten eine sehr samtige Oberfläche die sich mit der bloßen Hand nicht abreiben ließ.
Ich erinnerte von gestern, dass der Anstrich mit vorgenässter Wand anfangs besonders schlimm aussah und der ohne Vornässen gleich gut. Der ohne Vornässen sieht auch heute noch besser aus – allerdings heißt es, die Wand sollte vorgenässt werden. Also entschloss ich mich nicht so viel Wasser wie gestern aufzutragen, sondern die Oberfläche gerade so zu benebeln, dass sie dunkel wirkte.
Als ich anschließend mit dem Streichen begann, wurde klar, dass die Feuchtigkeit das Bilden von Tropfnasen begünstigte. Der Auftrag darf nicht dick sein, weil der Leim sich sonst zu schnell sammelt und abtropft, er muss aber so dick sein, dass er die Höhen und Tiefen der Wandstruktur abdeckt, denn sonst hat man nicht gestrichen ;-). Es ist also Übung gefragt.
Zum Feierabend wollte ich noch ein Experiment abschließen: Wiederholtes Streichen ohne Vornässen. Ich nahm mir die Wand am Fenster vor und trug dort die Kalk-Kaseinleimfarbe ohne vorzunässen auf. Die Farbe bildete weniger Tropfen und schien besser zu decken, wurde dann aber von dem Kalkputz eingesogen (wie an den anderen Wänden auch) und wurde fleckig. Das scheint wohl irgendwie zum Ablauf zu gehören.
Die anderen Wände begannen wieder etwas an Deckkraft zu gewinnen. Es ist faszinierend, wie man dem Kalk bei der Arbeit zuschauen kann – ich bin gespannt auf das Ergebnis morgen.
Was macht die gekalkte Wand?
Die Wand im Büro wo alles begann sieht mittlerweile angenehm farbig aus. Dieser spezielle Weißton und die fehlende Tapete versprühen den Charm eines alten Hauses. Ich habe etwas gebraucht um mich daran zu gewöhnen aber die rauhe, einfache Optik gefällt mir mittlerweile immer besser. Der Duft tut sein übriges (der ist grandios).
Der Bauheizlüfter hilft gerade mal wieder den Lehm zu trocknen und gleichzeitig bringt er etwas Wärme in das Haus. Angeblich soll es diese Nacht wieder frieren.